[ WEINE ]
Bordeaux: meine Wahlfamilie.
von Benoît Guenot (Herausgeber der Bücher Fusées und Monopole, Frankreich)
Hinter den ausgefallenen Büchern Fusées und Monopole steckt der Fotograf Benoit Guenot. Seit Jahren wandert dieser Weinreisende über Lehm- und Kalkböden, die Schieferböschungen hinauf und die Sandebenen hinunter, auf den Spuren der Menschen, die den Wein größer und lebendiger machen, wobei er diese Begegnungen kontrastreich festhält.
Denn für ihn ist Wein in erster Linie eine Erfahrung, ein persönliches Erlebnis. Seine Weinkultur eignet er sich zunächst im Pariser Weinkeller gleich um die Ecke und bei Reisen ins Burgund an, der Region, der er das Buch Monopole widmen wird. Und dann ist da noch Bordeaux, der neue Heimathafen, zu dem er mit Frau und Kindern im Gepäck aufbricht und sich inmitten von Merlot- und Cabernet-Reben niederlässt.
Er verlässt den Holzweg und lässt sich auf Wein aus einer Steingutamphore ein! Zwei Jahre lang wandert er an beiden Ufern umher und gründet seine Wahlfamilie. Mit Fusées lädt er zum Betrachten und Verkosten eines energiegeladenen Weinbaugebiets ein, und der Wunsch, ein Teil davon zu sein, führt zu seiner Anstellung bei der familiengeführten Vertriebsgesellschaft Satellite Wines.
Die folgende Auswahl ist also der ganz eigene Bordeaux-Geschmack von Benoît Guenot, ein Bordeaux auf Augenhöhe, sehr persönlich, atypisch vielleicht, aber ach so lebendig und lebhaft!
01.
Domaine Marius Bielle (Lalande de Pomerol)
„Damien Bielle, Winzer mit flotter Mähne und Lederkluft (Marius ist der Vorname seines Großvaters), destilliert sein heimatliches neuntes Arrondissement in seiner Cuvée Pigalle, einem 100 %igen Malbec. Er hat die klassische Önologie des Bordelais hinter sich gelassen und sprengt nun alle Codes. Alles ist lecker bei Damien, wie beim Schwein: die Cuvées Brut(es), Marius Bielle, Bazooka, Coyote ... Alle Weine sind eine Empfehlung wert!“
02.
Domaine de l’Île Rouge (Lugasson)
„Antonin Jamois ist im Weinbaugebiet Entre-deux-Mers zu Hause und macht dort wunderbare Weine. Eine glatte Empfehlung für seine Cuvée Les Oubliés und die (wenig bekannte) Rebsorte Castets.“
03.
Ormiale (Merignas)
„Nach einem (ersten) erfüllten Leben als Künstler hat sich Fabrice Domercq in der Gironde niedergelassen und beschlossen, Wein zu machen. Eine gute Idee! Der ehemalige Bildhauer (mit Ausstellungen in der Fondation Cartier) holt sich seine Anregungen bei befreundeten Winzern, mazeriert, gießt auf, füllt in Korbflaschen und macht Weine, die in die Tiefen der Seele eintauchen.“
04.
Les Closeries des Moussis (Arsac)
„Pascale, Laurence und Margaux. Da ist viel Liebe in ihren Weinen. Alte Reben bringen den roten Baragane hervor (benannt nach dem wilden Lauch, der in den Weinbergen wächst), eine schöne 75-Zentiliter-Flasche. Und nicht unerwähnt bleiben darf der hervorragende Weißwein namens Gisèle.“
05.
Château Le Puy (Saint-Cibard)
„Die Institution, der Menhir, der Fels und sogar der beste Wein der Welt laut dem japanischen Manga Göttlicher Tropfen! Château Le Puy steht vor allem für eine Familie (fünfzehn Generationen, die Reihe wird fortgesetzt) und sensationelle Weine - Naturweine, bevor es das Wort überhaupt gab.“
06.
Château Brandeau (Les Salles-de-Castillon)
„Julien Voogt zeichnet für die Cuvées Banzaï, Gas Gas, Franc-jeux verantwortlich und kann mit Worten ebenso gut umgehen wie mit Trauben. Diese Weine sind in Flaschen gefüllte Früchte! Klare Empfehlung für die Cuvée Dernière fleur, die 2017 aus den wenigen Trauben zubereitet wurde, die den Frost überlebt haben. Eine Arbeit unter Zeitdruck, eine grandiose Cuvée.“
07.
Château Gombaude-Guillot (Pomerol)
„Man muss einfach die delikaten Weine von Olivier Techer probieren, Vorreiter des biodynamischen Weinbaus in Pomerol. Seine Cuvée Pom'N Roll versetzt unsere Geschmacksknospen in helle Aufregung!“
08.
Les Chais du Port de la Lune (Bordeaux)
„Weine, die in einem alten Bunker im Zentrum von Bordeaux hergestellt werden. Der umtriebige Laurent Bordes bringt die Trauben auf kurzem Weg zu seinem Weinkeller und hat dann einen Heidenspaß bei der Weinbereitung, in die viel Herzblut einfließt. Der erste urbane Weinkeller der Stadt!“
09.
Domaine Uchida (Pauillac)
„Ein zwei Hektar großes Mini-Weingut. Der aus Japan stammende Winzer Osamu Uchida bewirtschaftet seinen Weingarten und seine Trauben so natürlich wie möglich. Oh mein Gott!, wie gut sein reiner Cabernet Sauvignon ist!“
10.
Jaugaret (Saint-Julien)
„Der feurige, leidenschaftliche Winzer Jean-Francois Fillastre hat nicht mehr das Recht, den Namen seines Dorfes auf dem Etikett anzubringen. Also werden wir von nun an den Jaugaret als Vin De France trinken.“
11.
Domaine de Galouchey (Beychac-et-Caillau)
„Der Garagen-Wein oder besser Gartenwein von Marco Pelletier, berühmter Sommelier, der schon in wahrhaften Hotelpalästen wie dem Bristol gearbeitet hat und nun stolzer Boss einer der freudenreichsten Adressen in Paris ist: Vantre.“
12.
Château Palmer (Margaux-Cantenac)
„Ein Schloss, ein richtiges echtes Schloss! Der erste Herzenswein meiner önologischen Laufbahn. Ein klassischer Bordeaux mit viel Finesse und bitte biodynamisch.“
13.
Château Bois de la Gravette (Moulis-en-Médoc)
„Lucie Mançais ist die Zukunft! Ihr erster Jahrgang ist erst 2021 herausgekommen. Ihr Stil? Frucht, Frucht und nochmals Frucht! Ich bin begeistert.“
Illustration - Kristelle Rodeia
Die Pariserin illustriert Szenerien, die scheinbar in der Realität verankert sind, aber bei genauerem Hinsehen fantastische und zugleich poetische Welten offenbaren. Für ihre Vielfalt an Inspirationen bedient sich die Illustratorin gleichermaßen bei der Wissenschaftsillustration, beim Comic (Charles Burns, Brecht Evens), bei der Malerei (Ron Mueck, David Hockney), beim Märchen (Lewis Caroll) und bei der Animation (Hayao Miyazaki).