[ PORTRÄTS ]
Frankreich // Weinauktionen
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Begegnung mit Cyrille Jomand
"Ich glaube, dass die Macher von emotionalen Weinen Winzer sind, die eine große Sensibilität haben."
Jeder Weinliebhaber ist auf der Suche nach dem Heiligen Gral: einer großen Cuvée oder einem betagten legendären Jahrgang. Und um diesen Gral zu finden, sind Auktionen zu einer Art Pflichtveranstaltung geworden.
Lagenweine, seltene Weine, saubere Weine usw. Seit 20 Jahren sind die iDealwine-Auktionen eine Art Barometer für die verschiedenen Entwicklungen: Weine, die man gestern trank, Weine, die heute in Mode sind, und Shooting-Stars, die in rund zwanzig Jahren beliebt sein werden.
Cyrille Jomand, CEO von iDealwine, hat mit uns diese Trends und die Profile der Aficionados unter die Lupe genommen. Cyrille ist eher ein vielseitiger, neugieriger Weintrinker als ein zwanghafter Sammler. Er erzählt uns von seinen Emotionen, die er mit bestimmten Weinen verbindet, wobei ein guter Wein mitunter vor allem eine Sache der Erinnerungen und Emotionen ist, und das Glas voller Verheißungen.
Sie sind einer der Pioniere für Online-Weinauktionen, wie fing alles an?
CYRILLE JOMAND
iDealwine ist die Geschichte einer Begegnung. Wir waren drei Gründungspartner, Angélique de Lencquesaing, Lionel Cuenca und meiner Wenigkeit, die sich zusammengetan haben. Wir wollten uns alle drei in ein unternehmerisches Abenteuer stürzen, wobei uns die Leidenschaft für Wein verband. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen, wir arbeiteten zusammen an der Pariser Börse und nutzten unser Wissen, um einen organisierten Markt im Weinsektor an den Start zu bringen. Hinter iDealwine steckt die Idee, eine Art Wertermittlung für Weine zu schaffen, die es so bereits in der Kunst- und Automobilbranche gibt! Wir hätten auch einfach einen Weinhandel eröffnen und unsere Lieblingsweine verkaufen können, aber von Anfang an wollten wir etwas ganz Neues schaffen, den kurzlebigen Charakter der Auktionshäuser elektronisch umzusetzen.
Die Idee ist eine Art Wertermittlung für Weine zu schaffen, die es so bereits in der Kunst- und Automobilbranche gibt.
Inwiefern hat das Internet diese kleine Revolution in der Welt des Weins ermöglicht?
CYRILLE JOMAND
Das Internet hat die Türen zu dieser undurchsichtigen Welt für eine größere Anzahl von Weinliebhabern, ein internationaleres, jüngeres und einkommensschwächeres Publikum aufgestoßen. Selbstredend handelt es sich bei vielen der zum Verkauf stehenden Lose um große Weine, alte Jahrgänge und ikonische Weine, die von Weinliebhabern oder Gastronomen zur Auktion gestellt werden, aber dank der großen Vielfalt dieser Lose wird es einfacher, sich eine oder zwei Flaschen zu leisten, während traditionell Kisten mit 12 Flaschen verkauft wurden. Spannend ist, dass die Weine, die heute getrunken werden, die Lose für die Auktionen von morgen sein werden!
Die Weine, die heute getrunken werden, werden die Lose für die Auktionen von morgen sein!
Sie stehen also sozusagen an der Spitze der Trends?
CYRILLE JOMAND
Wir sind tatsächlich eine Art Observatorium, live dabei, was die Leute trinken und was sie lagern wollen. Ich denke, dass es heute weniger Vorurteile gibt. Bordeaux-Weine stehen volumenmäßig an der Spitze knapp gefolgt von Weinen aus dem Burgund und dem Rhône-Tal, aber Regionen wie das Jura, das Beaujolais oder das Loire-Tal sind aufstrebende Werte. Weinfreunde haben weniger Scheuklappen, das Spiel ist viel offener, mit einem starken Trend zu Weinen, die einen eigenen Anbau- und Vinifikationsansatz verfolgen, von Bio bis Biodynamie. Dieser Wandel ist bereits im Bordeaux-Anbaugebiet im vollen Gange, wo große Weingüter wie das Château Lafite Rothschild sich dieser Art von Weinbau widmen und mit der Agrarökologie sogar noch einen Schritt weiter gehen.
Wir sind eine Art Observatorium, live dabei, was die Leute trinken und was sie lagern wollen.
Hat sich auch der Blick auf die Weine der Neuen Welt verändert?
CYRILLE JOMAND
Für unsere Kunden, die aus der ganzen Welt stammen, ist der Begriff „Neue Welt“ eher relativ! Wenn man den Fokus auf den französischen Standpunkt legt, sind die französischen Weinliebhaber viel offener ausländischen Weinen gegenüber als früher: Weißweine von der Mosel, deutsche Kabinettweine... Die muskulösen „Parker"-Weine liegen nicht mehr im Trend. Früher wurden zum Beispiel kalifornische Chardonnays mit ausgeprägtem Ausbau bevorzugt, während heute die Nachfrage nach Pinot Noir aus Oregon mit viel Frische und einer Typizität besteht, die den Prä-Phylloxera-Reben viel zu verdanken hat.
Es dreht sich also vor allem um das Terroir?
CYRILLE JOMAND
Ich habe diesen Satz von Colette im Kopf, die sagte: „Im Pflanzenreich macht uns allein die Rebe verständlich, was der wahre Geschmack der Erde ist“. Wein ist natürlich an einen Ort gebunden, die Zeit tut ihr Übriges und auch die Geografie. Bei einer Weinprobe werden wir direkt in ein Terroir, ein Land hineinkatapultiert: Einige Weißweine aus dem Jura haben diese mergelige, erdreiche Seite, während der Granitboden der Côte Roannaise uns direkt in die hügelige Landschaft dieser Appellation reisen lässt. Diese Lagenweine bringen perfekt die Wucht und die Energie eines unglaublichen Terroirs zum Ausdruck. Im Zusammenspiel mit der Fähigkeit des Winzers, dieses Terroir greifbar zu machen, erhält man einen Wein, der eine besondere Energie entfaltet, die Weinliebhaber und jede andere offene Person in vollem Maße zu spüren bekommt, wie eine Emotion.
Bei einer Weinprobe werden wir direkt in ein Terroir, ein Land hineinkatapultiert.
Apropos Emotion, woher kommt diese Emotion eigentlich?
CYRILLE JOMAND
Das Erstaunliche ist, dass große Weinliebhaber und auch große Sammler, die schon viele Weine probiert haben, allesamt sagen, dass sie auf der Suche nach Emotionen sind, nach einem Wein, der in der Lage ist, sie erschaudern zu lassen, Tränen in die Augen zu treiben und sie in eine Erinnerung zu versetzen. Ich glaube, dass die Macher von emotionalen Weinen Winzer sind, die eine große Sensibilität haben. Reine Techniker werden einen absolut perfekten Wein machen, aber er wird deswegen noch lange keine Emotionen erzeugen. Für mich spiegelt der Wein die Persönlichkeit des Winzers wider, zum Beispiel stecken hinter sehr mineralischen Weinen mit Spannkraft Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen ...
Für mich spiegelt der Wein die Persönlichkeit des Winzers wider, zum Beispiel stecken hinter sehr mineralischen Weinen mit Spannkraft Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen ...
Und welche magischen Augenblicke haben Sie erlebt?
CYRILLE JOMAND
Zu den großartigen Weinen, die ich mit großen Emotionen und prägenden Erinnerungen verbinde, gehört der Pommard Rugiens von der Domaine de Courcel, der bei keinem besonderen Familienanlass fehlen durfte. Das Los war etwas ungewöhnlich, die Flaschen waren nicht einmal alle beschriftet. Zum 80. Geburtstag meines Vaters schenkte mir eine Kundin, die einen sehr gut sortierten Weinkeller hat, eine Flasche La Mission Haut-Brion aus dem Jahr 1943, dem Geburtsjahr meines Vaters. Wir haben sie an seinem Geburtstag getrunken, was ganz besondere Emotionen hervorgerufen hat! Meine größte Emotion hat sicherlich ein Saint-Emilion aus dem Jahr 1918 entfacht, als ich mir vorstellte, dass dieser Wein hergestellt wurde, kurz nachdem mein Großvater aus dem Krieg zurückgekehrt war. Ich weiß auch gar nicht mehr, ob der Wein an sich gut oder schlecht war, aber da war diese mit den Händen greifbare Emotion.
Die größte Ergriffenheit habe ich sicherlich bei einem Saint-Emilion von 1918 verspürt, auch wenn ich gar nicht mehr weiß, ob der Wein an sich gut oder schlecht war.
Emotionen sind also eng mit diesem Gedächtnis der Zeit verbunden ...
CYRILLE JOMAND
Wein ist immerhin das einzige - na ja, nicht das einzige, aber das symbolreichste - Produkt, das den Fäulnisprozess stoppen kann! Die Gärung hebelt das Verrinnen der Zeit aus, die Zeit bleibt stehen und ermöglicht uns mit diesem Wein aus dem Jahr 1918 eine fast magische Reise zu einer besonderen Erinnerung.
Möchten Sie uns einen Wein empfehlen, den Sie kürzlich getrunken haben?
CYRILLE JOMAND
Je größer die Liebe zum Wein wird, desto mehr wird einem bewusst, dass diese Liebe unendlich ist und immer etwas Geheimnisvolles in sich birgt. Man meint, man kennt sich aus, und dann stellt man fest, dass es noch jede Menge zu entdecken gibt! Vor kurzem hatte ich das Glück, in die Abruzzen zu Emidio Pepe zu fahren, zusammen mit der Winzerin Chiara Pepe, deren unglaublichen Montepulciano d'Abruzzo ich trinken durfte.
Macht Sie dies zu einem Weinsammler?
CYRILLE JOMAND
Ich bin absolut kein zwanghafter Sammler, ich bin eher eine Mischung aus Weinliebhaber und Weintrinker! Mein Keller ist ein schöner Lagerort, der den Flaschen Wert verleiht. Die Weine, die ich im Keller habe, werde ich aber trinken, es gibt da einen ganz schönen Turnover! Ich habe auch einen zweiten Weinkeller für die Jahrgänge, in denen meine Kinder geboren wurden. Das sind großformatige Flaschen, die bleiben ein bisschen länger im Keller. Ich bin eher ein vielseitiger, neugieriger Weinliebhaber, auch wenn sich das ein bisschen eingebildet anhört.
Können Sie uns zum Abschluss noch ein paar Beispiele für Weine geben, die in Ihrem Keller lagern?
CYRILLE JOMAND
Meine Weine – zu 99 % auf iDealwine gekauft– spiegeln meine Entdeckungen wider, jeder Wein ist nur in geringen Mengen vertreten, aber dafür habe ich viele verschiedene Weine! Von der Rhône habe ich zum Beispiel einige Saint-Joseph (Chapoutier, Gonon, Alain Graillot...) und einige Châteauneuf-du-Pape (Saint-Préfert, Charvin, André Brunel - Les Cailloux...). Die Côtes-du-Rhône von Charvin gehören übrigens ebenso zu meinen Lieblingsweinen wie viele andere aus der Reynaud-Galaxie (Château des Tours, Domaines des Tours, Parisy usw.). Meine Herkunft spiegeln auch ziemlich viele Beaujolais-Weine wider: die Cuvée „Zaccharie“ vom Château Thivin, „Côte du Py“ von Jean Foillard, die Weine von Daniel Bouland und weiße Beaujolais-Weine. Im Burgund gilt meine besondere Vorliebe dem Latricières, dem Corton Blanc der Domaine Chandon de Briailles, dem Corton-Charlemagne von Louis Latour, Meursault von Ballot-Millot... und ich fasse mich noch in Geduld, bevor ich den 2009er Gevrey-Chambertin Premier Cru, „Lavaux St Jacques“ der Domaine Duroché öffne. Die Loire ist mit den Weinen „Les Poyeux“ als Rotwein und „Brézé“ als Weißwein vom Clos Rougeard, „Brézé“ von Guiberteau, „Victoire“ vom Clos des Treilles und „Les Vieux Clos“ von La Coulée de Serrant vertreten. Im Bordeaux-Weinbaugebiet arbeite ich mich seit kurzem in den Château de Ferrand ein und ich habe ein großes Faible für die Weine von Léoville Barton, Clos Puy Arnaud, Grand Corbin Despagne. Was das Elsass betrifft, fallen mir der Schlossberg von der Domaine Bott-Geyl und der Altenberg de Bergheim von Deiss ein. Nicht weit davon entfernt, in Deutschland, lagern die Kabinettweine von J.J Prüm auf einem Ehrenplatz in meinem Weinkeller. Meine ganz besondere Vorliebe gilt Likörweinen: Château de Fargues, Château Doisy-Daëne, Château Climens oder die ungarischen Tokajer von Disznókő, um nur einige zu nennen!
Bereichern Sie das Erlebnis
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