Begegnung mit François Berléand 

FRANÇOIS BERLÉAND

Ich war so 9 oder 10 Jahre alt. Ich war bei meinem Großvater. Im Garten seines Hauses in Yvetot ließ er mich an Blättern und Früchten schnuppern, und zu jedem besonderen Anlass, ob Weihnachten, Ostern oder Geburtstag, hielt er mir ein Glas unter die Nase und fragte mich nach meinen Eindrücken. Ich höre mich noch „Erdbeere“, „Johannisbeere“, „Himbeere“ antworten. Er spornte mich immer an. Ein anderes Mal, als wir bei einem Weißwein aus dem Elsass, einer Spätlese, zusammensaßen, sagte ich „Lakritze“, und mein Opa war schlichtweg begeistert. Als ich 13 war, durfte ich den Wein nicht nur riechen, sondern auch schmecken, mein Großvater hat mir geholfen, meinen Geschmackssinn zu entwickeln und zu sensibilisieren.

FRANÇOIS BERLÉAND

Einer meiner Onkel hatte eine Frau aus einer großen Winzerfamilie aus Bordeaux geheiratet. Daher tranken wir immer nur Bordeaux-Weine, aber nur die vom „rechten Ufer“. Bis ich 18 war, mochte ich ausschließlich Merlot-Weine. Aber der erste Wein, den ich eigenständig auf einer Messe in Paris gekauft habe, war ein Wein aus dem Burgund, den ich wegen seines Namens kaufte: „Montrecul“, was so viel heißt wie „Popo zeigen“. Der war nicht gerade umwerfend.

FRANÇOIS BERLÉAND

Als ich jung war, habe ich nicht viel Geld für Wein ausgegeben, weil ich einfach kein Geld hatte. Im Freundeskreis reichte schon der Alkoholgehalt zu unserem Glück. So ging das bis 1979 als ich 27 Jahre alt war und ein bisschen mehr Geld am Theater in Bordeaux verdiente. Meine Partnerin stellte mich damals dem großen Weinhändler Pierre Coste vor. Er liebte Schauspieler im Allgemeinen, machte mir einen tollen Preis und so kaufte ich ein großes Weinpaket für stolze 20.000 Francs. Darunter waren einige tolle Weine, ein Château Petrus und auch ein Château Haut-Brion.

FRANÇOIS BERLÉAND

Ich brauchte 3 Jahre, um alle Flaschen zu leeren. Ich lud viele Freunde zu mir ein. Ich wohnte im 5. Stock und einen Fahrstuhl gab es nicht. Wenn wir zu sechst waren, holte ich drei Flaschen raus, aber so gegen Mitternacht musste ich meistens noch einmal in den Keller runter und neue Flaschen holen. Mir fiel nicht sofort auf, dass es den Leuten, die ich einlud, schnurzpiepegal war, was sie tranken. Ich begann damit, Vieux Cep, einen damals weit verbreiteten Fusel, in Flaschen guter Weine umzufüllen und umgekehrt. Meine Freunde merkten rein gar nichts, so sehr ließen sie sich vom Etikett täuschen, und ich lachte mir ins Fäustchen, wenn ich vorgab, dass ich mit einem Vieux Cep vorlieb nehmen konnte. Schon bald hob ich meinen guten Wein für Leute auf, die wirklich Wein mochten und schätzten.

FRANÇOIS BERLÉAND

Erst Anfang des 21. Jahrhunderts habe ich mich auch für andere Weinbauregionen interessiert. Als ich 2004 auf Tournee war, stand ich in Montpellier zusammen mit Richard Berry auf der Bühne. Nach der Vorführung gingen wir ins Sterne-Restaurant der Frères Pourcel, den „Jardin des Sens“. Als sich die Frage nach den Getränken stellte, sagte ich schlicht und ergreifend: „Vielleicht einen Wein hier aus der Gegend? Gibt es hier guten Wein?“ Das Languedoc hatte damals keinen guten Ruf. Wir bekamen einen Château Puech-Haut. Und da machte es Klick, ich entdeckte einen geschmacksintensiven Wein, Frucht, Alkohol, ein bisschen Zucker, das hat mir sehr gefallen. Ich habe mich gewundert, warum ich so lange damit gewartet hatte, solch herrliche Weine zu erschwinglichen Preisen zu entdecken. Ich fing an, mich für Weine aus der Syrah-Traube zu interessieren, ich arbeitete mich zu den Terrasses du Larzac, einem Châteauneuf-du-Pape und dem Rhone-Tal vor. Später machte ich auch Bekanntschaft mit dem Château La Négly im Departement Aude, vor allem der Cuvée La Porte du Ciel. Ein schlichtweg wunderbarer Wein.

FRANÇOIS BERLÉAND

Den Domaine Tour Campanets aus dem Weinbaugebiet Coteaux d’Aix-en-Provence. Er wurde mir von dem alten, humpelnden Sommelier des Restaurants empfohlen, in dem ich esse, wenn ich in Marseille spiele. Dieser Wein wird von der wunderbaren Winzerin Emanuelle Baude hergestellt, die ich schon einmal besucht habe. Diese ehemalige Notarin hat ihren Job hingeschmissen, um sich ihrer Leidenschaft zu widmen. Die Weine sind herrlich, die Etiketten sehr ansprechend, kurzum, wir haben es hier mit einem tollen Wein zu tun.

FRANÇOIS BERLÉAND

Mein Beitrag war eher bescheiden, die Ehre gebührt Hervé Bizeul (Domaine du Clos des Fées, Rivesaltes). Ich lernte ihn bei einem Fastenurlaub in Spanien kennen. Ich vertraute ihm an, dass ich seinen Wein kannte und sehr schätzte. Wir verstanden uns auf Anhieb. Während des Lockdowns schlug er mir eines Tages vor: „Komm, wir machen zusammen Wein!“ Er kam zu mir nach Hause, fragte mich, welchen Wein ich mochte, wir einigten uns auf die Syrah-Traube und auf einen körperreichen Wein. Ich besuchte ihn und wir kümmerten uns gemeinsam um die Assemblage. Es war super spannend: Wir mischten ein bisschen von dem, ein bisschen von jenem Wein zusammen und uns gelang eine Cuvée, die genau nach meinem Geschmack war. Diese Cuvée heißt „Entre amis“ und der Verkaufserlös geht an den Verein „Vendanges Solidaires“, der Winzern in Not hilft.

FRANÇOIS BERLÉAND

Bei einigen meiner Schauspielerfreunden weiß ich, dass ein guter Tropfen entsprechend gewürdigt wird. Hierzu gehören Pierre Arditi, François-Xavier Demaison oder auch Stéphane De Groodt. Und auch bei anderen Freunden, die nicht zur Schauspielerei gehören. Wir genießen es, zusammen zu sein und einen guten Tropfen zu trinken, auch wenn manchmal die Frage aufkommt: „Wie teuer ist eigentlich so ein Schluck?“. Wein ist ein wichtiger Teil meines Lebens, aber ich kann auf Wein auch ein, zwei, drei Monate lang verzichten. Wenn ich aber in der Stimmung bin, zu trinken, dann trinke ich auch. Und nicht nur im Freundeskreis, sondern zum Beispiel auch mit der Mutter meiner Töchter. So können wir an einem schönen ruhigen Abend beschließen, eine gute Flasche Wein zu öffnen und in trauter Zweisamkeit zu genießen.

FRANÇOIS BERLÉAND

Mein Vater war russischer Jude, gebürtig aus Moldawien. Für eine Sendung bin ich dorthin gereist und habe den grössten Weinkeller weltweit besichtigt, Cricova. Ich habe einen sensationellen Wein getrunken, dessen Name mir aber komplett entfallen ist.