[ PORTRÄT ]
Frankreich und Schottland / Schriftsteller
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Begegnung mit Martin Walker
"An die 1000 Winzer arbeiten in der Region, von denen ich über 300 kennenlernen durfte!"
Martin Walker ist Journalist und Romancier. Seit rund 30 Jahren lebt er im Périgord, im Südwesten Frankreichs, wo er vor allem Regionalkrimis schreibt, in denen Wein eine zentrale Rolle spielt. Martin Walker ist kultiviert, frankophil und frankophon, und er verteidigt leidenschaftlich die Weine einer Region, die lange im Schatten der Weine des Bordelais standen. Eine Begegnung.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Schluck Wein?
MARTIN WALKER
Mit 13 habe ich zum ersten Mal Wein probiert. Ich hatte einen Französischlehrer, der jahrelang in Frankreich gelebt hatte, und er organisierte für uns Austauschreisen. An Ostern verbrachten wir drei Wochen in Paris oder in einer anderen Region. Ich erinnere mich noch gut an Claude, einen meiner Brieffreunde. Er war schon mit 15 Jahren 2 Meter groß und träumte davon, Fallschirmspringer zu werden. Er rauchte, nahm mich mit auf Streifzüge durch Paris mit seinen leicht bekleideten Frauen, und so verliebte ich mich in Frankreich. Deswegen habe ich Französisch gelernt, habe den Klang der Metro, die Gauloises-Zigaretten und den Duft von Knoblauch entdeckt und lieben gelernt. Das kam mir alles sehr exotisch vor. Ich trank ein Glas Wein beim gemeinsamen Essen mit seinen Eltern und schlief ein.
Ich entdeckte den Klang der Metro, Gauloises-Zigaretten, den Duft von Knoblauch. Und so verliebte ich mich in Frankreich.
Gab es ein Aha-Erlebnis?
MARTIN WALKER
Wein ist erst so richtig in mein Leben getreten, als ich in Oxford aufgenommen wurde. Die Mahlzeiten dort waren immer sehr förmlich, fanden im großen, mittelalterlich anmutenden Speiseraum statt und die Studenten waren in die Roben der Universität gekleidet. Am Ende der Mahlzeiten wurde uns häufig ein Glas Wein serviert, hin und wieder ein deutscher Riesling, aber meistens französischer Wein. Außerdem war ich Mitglied in einem Club junger Historiker, und wir veranstalteten pro Jahr vier Lesungen mit Gästen. Auf unseren Zimmern bereiteten wir die Mahlzeiten zu und unsere Aufgabe war es, die Gerichte und den Wein auszuwählen.
Welcher Wein hat in Ihnen ein Gefühl geweckt?
MARTIN WALKER
Der erste Wein, der mich wirklich beeindruckt hat, war ein Château Nénin, ein sehr guter Pomerol aus dem Bordelais. Seit diesem ersten einschneidenden Erlebnis liebe ich Rotweine aus dem Südwesten, vielleicht sogar mehr als die Weine aus dem Rhonetal, muss ich gestehen. Ich habe Anfang der 1980er Jahre auch die Loire-Weine lieben gelernt, als ich mit einem Diplomatenfreund die Weinberge der Loire besuchte. Vor allem der Chinon von Olga Raffaults hatte es mir angetan.
Warum das Périgord?
MARTIN WALKER
Ich bin durch gute Freunde im Périgord gelandet, sie ist Übersetzerin, er Journalist. Sie hatten einen kleinen Bauernhof geerbt. Als ich für die britische Tageszeitung „The Guardian“ in Moskau tätig war, verbrachten wir drei Wochen im Sommer bei ihnen. Das Périgord war wunderschön, aber damals aß man dort noch nicht so gut und der Wein war auch ziemlich schrecklich. Trotzdem beschlossen wir, uns ebenfalls dort niederzulassen. Ich erinnere mich noch genau an den Tag im Jahr 1997, als meine Frau mich anrief und mir mitteilte, dass sie ein Haus gefunden hatte. Ich saß gerade mit Bill Clinton im Vorzimmer des Oval Office. Vier Tage später reiste ich ins Pérgord und verliebte mich ebenso wie meine Frau in diesen alten Bauernhof mit seinem Taubenschlag und einer großen Terrasse.
Seit ich vor etwa dreißig Jahren hierher gezogen bin, haben die Weine unglaublich an Qualität gewonnen.
Wie ist die Situation heute?
MARTIN WALKER
Seit ich hierher gezogen bin, haben die Weine unglaublich an Qualität gewonnen. Die Weine aus dem Weinbaugebiet von Bergerac waren von den Engländern während der drei Jahrhunderte des britischen Konsulats sehr geschätzt worden, aber es gab immer eine Art Gegnerschaft oder Wettstreit mit dem Bordelais, und das Bordelais hat schließlich gewonnen. Der Niedergang des Tabaks, dessen Anbau den Wohlstand von Bergerac begründet hatte, entspricht der Wiederbelebung des Weinanbaus.
Welches sind Ihre Lieblingsweine aus dem Périgord?
MARTIN WALKER
Ich liebe Weine aus dem Pécharmant (400 Hektar großes Anbaugebiet mit geschützter Ursprungsbezeichnung AOP nördlich von Bergerac, Anm. d. Ü.). Dieses Weinbaugebiet wurde bereits im 18. und 19. Jahrhundert gefeiert. Auf einer Reihe von Hügeln liegen die in Frankreich einzigartigen Sand- und Kiesböden, die für eine gute Versorgung der Wurzeln mit Nährstoffen und für eine natürliche Drainage der Böden sorgen.
Sie sind richtig engagiert...
MARTIN WALKER
Ich habe großartige Menschen kennengelernt, Julien Monfort und seinen Vater, den Gründer des Hauses Julien de Savignac. In ihrem Gefolge haben sich immer mehr Menschen für die Verbesserung der Weinqualität eingesetzt. In meinem Keller lagern ständig rund 200 Flaschen, die meisten davon stammen aus der Weinregion Bergerac. Ich habe mehr als 300 von den 1000 Winzern getroffen, die in der Region arbeiten. Ich bin sehr stolz darauf, als Mitglied des Consulat de la Vinée ein Botschafter ihrer Arbeit zu sein. Das Consulat de la Vinée ist eine Institution, die vor sieben Jahrhunderten in Bergerac gegründet wurde und die Aufgabe hatte, über die Qualität der Weine zu wachen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde diese Tradition wiederbelebt.
In meinem Keller lagern ständig rund 200 Flaschen, die meisten davon stammen aus der Weinregion Bergerac.
Und haben sogar ihren eigenen Wein...
MARTIN WALKER
Mit Julien Monfort haben wir die Cuvée Bruno kreiert, die nach meiner Romanfigur Bruno Courrèges benannt ist. Das Etikett ziert sein Hund, ein Basset mit einem Käppi auf dem Kopf. Seit dem ersten Jahrgang 2016 haben wir nur vier Weine herausgebracht, nur in den guten Weinjahren. Wir kaufen die Trauben von Freunden und stellen eine Assemblage aus Cabernet Sauvignon und Franc, Merlot und etwas Malbec her. Zu Entenbruststreifen mit grobkörnigem Senf und einer Honigsoße schmecken diese Weine einfach großartig!
Gastro-Journalist - Stéphane Méjanès
Der ehemalige Sportjournalist Stéphane Méjanès berichtet seit 2012 für verschiedene Magazine, Zeitschriften und Websites über die Gastronomie in all ihren Facetten. Er ist Autor eines Pamphlets über Gastrokritik, „Tailler une plume“ (Éditions de l'Épure, 2019), sowie mehrerer Bücher von Küchenchefs. Er arbeitet außerdem als Dozent an der Hochschule für Hotellerie und Tourismus ESTHUA in Angers, wo er einen Kurs über Restaurantkritik für Master 2-Studenten anbietet. Zusammen mit Guillaume Gomez und Tiptoque ist er Initiator der Bewegung „Les Chefs avec les Soignants“ (etwa: Chefköche für das Pflegepersonal) und wurde dafür mit dem Solidaritätspreis La Liste 2021 ausgezeichnet. Für seine persönlichen Arbeiten wurde er 2019 mit dem Journalistenpreis „La plume d’or“ ausgezeichnet und 2018 erhielt er den Preis Amunategui-Curnonsky, der Journalisten verliehen wird, die sich in besonderer Weise um den Ruf der französischen Kochkunst verdient machen.
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