[ PORTRÄT ]
Schauspieler // Schweden
_
Begegnung mit Thomas Hanzon
"Diese Kombination von Aromen - Wein kann leicht oder schwer sein, viele Facetten und Schichten haben."
Das Kungliga Dramatiska Teatern (das Königliche Dramatische Theater) ist Schwedens Nationaltheater, das 1788 von König Gustav III. gegründet wurde. Das aktuelle Gebäude wurde 1908 eingeweiht. In einer der beiden Garderoben, die mit Originalmöbeln ausgestattet ist, treffen wir Thomas Hanzon, der seit 1989 zum festen Ensemble gehört. Seine Karriere hätte jedoch auch eine andere Wendung nehmen können - Thomas Hanzon war einst ein vielversprechender Fußballer, der für die Nationalmannschaft spielte. Eines Tages gab er ziemlich plötzlich den Fußball auf, gründete seine eigene Theatergruppe und landete schließlich beim Nationaltheater Dramaten, wo er u.a. mit Ingmar Bergman zusammenarbeitete.
Thomas Hanzon hat auch in mehreren Spielfilmen und Fernsehproduktionen mitgewirkt, u. a. in Die Treulosen von Ingmar Bergman und Red Dot, das jetzt auf Netflix zu sehen ist. Bei Dramaten hat er in einer Vielzahl von Stücken mitgewirkt, darunter „He tenderness I am worth“, „August: Osage County“, „Fanny and Alexander“, „The Death of a Salesman“ und „Peer Gynt“.
Aber hier folgen wir seiner Reise in die Welt des Weins - von seiner ersten Verliebtheit in den Beaujolais Nouveau bis zu seiner Faszination für das Burgund und die Spätburgunder aus Australien.
Was hat Ihr Interesse an Wein geweckt?
THOMAS HANZON
– Ich hatte kein Interesse an Wein, bis ich mit 19 nach Blois (eine Stadt 200 Kilometer südlich von Paris) kam. Ich hatte gerade mit dem Fußballspielen aufgehört und bereiste Europa. Ich hatte keine Pläne, und als ich einen Mann kennenlernte, der mir anbot, auf seinem Bauernhof zu arbeiten, ergriff ich die Chance. Das war im November, und eines Tages kam er mit ein paar Flaschen um die Ecke und rief fröhlich: „Le Beaujolais nouveau est arrivé!“ (Am dritten Donnerstag im November kommt in Frankreich der erste Wein des Jahres, der Beaujolais Nouveau, auf den Markt (Anm. d. Verf.)). Damals hatte ich keine Ahnung, was das für ein Wein war, aber er kam gerade recht. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, dass ein Wein gut und süffig sein kann. – Ich hatte wohl eine leicht verklärte Sichtweise, und heute bin ich der Meinung, dass der Beaujolais Nouveau nicht besonders gut ist …
Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, dass ein Wein gut und süffig sein kann. – Ich hatte wohl eine leicht verklärte Sichtweise.
Sie waren ein wirklich guter Fußballer und Ihnen wurde ein Profivertrag angeboten. Warum haben Sie den Fußball fallen lassen?
THOMAS HANZON
– Ich musste feststellen, dass der Fußball eine konservative und kleine Welt mit vielen Vorurteilen ist. Und dann habe ich auch verstanden, warum ich spielte – ich wollte, dass mein Vater mich liebte. Er hat sich nicht sehr viel um mich gekümmert, aber er war ein großer Fußballfan. Als mir das klar wurde, ließ ich den Fußball fallen.
Und warum gingen Sie dann zum Theater? Das ist eine ziemlich drastische Kehrtwende.
THOMAS HANZON
– Ja, da war viel Zufall im Spiel, dass ich Schauspieler geworden bin. Als ich meine Fußballschuhe an den Nagel hängte, gab es für mich zwei Möglichkeiten: Anwalt oder Schauspieler. Keiner in meiner Familie kommt vom Theater, aber es schien mir eine magische Welt zu sein. Der Zufall wollte es, dass ein Freund Statisten brauchte. Ich machte mit und war total begeistert. Kurz darauf gründete ich mein eigenes Theater, und um es kurz zu machen, war ich schon bald darauf an einer gefeierten Aufführung am Stockholmer Stadttheater beteiligt ... Das war‘s. Jetzt bin ich schon seit 35 Jahren am Dramaten.
Sie haben mit Ingmar Bergman zusammengearbeitet. Da drängt sich die Frage auf, wie es war.
THOMAS HANZON
– Fantastisch, würde ich sagen. Wir haben uns näher kennengelernt, weil ich ein Seilelement in Peer Gynt in Frage stellte. Alle hatten große Angst vor Ingmar, aber mir gefiel der Gedanke nicht, dass ein Seil zwischen uns Schauspielern verlaufen sollte. Ich hatte meine eigene Vorstellung. Als Ingmar die Probe sah, schrie er: „Cut!“ und rief mich zu sich. Ich sagte, dass ich meine Idee besser fände als seine. Er hörte zu, erklärte und dann ich verstand ich ihn besser. Von da an begann er die Proben immer mit den Worten: „...Thomas hat vielleicht eine andere Vorstellung.“ Er fand es wahrscheinlich amüsant, dass jemand ihm zu widersprechen wagte.
Ingmar Bergman fand es wahrscheinlich amüsant, dass jemand ihm zu widersprechen wagte.
Zurück zum Wein. Welche Entwicklung hat Ihr Interesse an Wein seit diesem saftigen Beaujolais Nouveau aus der Gamay-Traube genommen?
THOMAS HANZON
– Heute habe ich einen anderen Zugang zu Wein. Es ist sehr anregend, wenn man etwas angeboten bekommt, das man noch nie zuvor probiert hat. Diese Kombination von Aromen - Wein kann leicht oder schwer sein, viele Facetten und Schichten haben. Gleichzeitig gibt es eine Milliarde Weine auf der Welt, deshalb muss ich herausfinden, was mir gefällt und Spaß macht. Aus Neugierde kaufe ich Weine, die ich noch nie probiert habe, oder Weine von Rebsorten, über die ich gelesen oder die ich gegoogelt habe. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist es, in französischen Supermärkten günstige Weine zu finden. Ich habe eine tolle Wein-App und kann Flaschen für 10 € aufspüren, die sonst 80-90 € kosten würden.
Sie scheinen französische Weine zu lieben und oft nach Frankreich zu fahren. Wo liegt der Reiz?
THOMAS HANZON
– Ich liebe es, in kleine Dörfer zu fahren und lokale Weine einzukaufen. Es darauf ankommen zu lassen. Gute Weine aufzustöbern. Das Traurige daran ist, dass es schwierig ist, sie erneut aufzutreiben, so dass sie zu Erinnerungen werden.
– Als ich letzten Sommer durch die Provence reiste, fand ich einen fantastischen Rotwein vom Château Crémade in der kleinen Appellation Palette nördlich von Aix-en-Provence. Die Provence ist nicht gerade für ihre Rotweine bekannt, aber dieser Rotwein war einer der besten, die ich je getrunken habe.
Diese Weine werden wie Erinnerungen.
Die Frage ist unmöglich zu beantworten, aber haben Sie einen Lieblingswein?
THOMAS HANZON
– Burgunder, ohne Frage. Burgunder-Weine sprechen mich einfach an. Die Balance zwischen der Süße, der Säure, den Tanninen. Sie enthalten so viele Inhaltsstoffe und sind dennoch ausgewogen. Diese Weine regen mich geistig an. Aber um diese Erfahrung machen zu können, muss man leider eine Preisklasse höher gehen. Ich habe glücklicherweise einen Freund, der Wein importiert, und durch ihn habe ich Pinot Noir aus anderen Teilen der Welt entdeckt. Die einzigen Pinot Noir-Weine, die meiner Meinung nach wirklich mit dem Burgund konkurrieren können, sind die aus Neuseeland. Dort herrscht ein kühles Klima, das der Traube gut tut.
Ich vergleiche Wein oft mit dem Kochen. Die Zutaten sollten einander ergänzen.
Worauf achten Sie bei einem Wein, was soll er Ihnen geben?
THOMAS HANZON
– Ich wiederhole mich, aber es ist wirklich die Balance. Die verschiedenen Geschmacksempfindungen des Wein sollten harmonisch miteinander verschmelzen. Ich vergleiche Wein oft mit dem Kochen. Keine Komponente sollte besonders hervorstechen, die Zutaten sollten einander ergänzen. Dann ist da noch der zeitliche Aspekt. Ein Boeuf Bourgignon zum Beispiel wird immer besser, wenn es einen Tag ruht, so wie viele Weine vom Altern profitieren. Die Stärke liegt in den kleinen Details.
Wein bringt Menschen zusammen, denn Wein ist ein unglaublich geselliges Getränk.
Was bedeutet Wein für Sie, abgesehen vom Geschmackserlebnis?
THOMAS HANZON
– Wein ist ein unglaublich geselliges Getränk. Wein bringt Menschen zusammen. Wenn man eine Flasche öffnet, möchte man sie mit anderen teilen, man möchte die Erfahrung teilen und die Geschmackserlebnisse vergleichen. Und Wein ist auch eine Art Belohnung, wenn es am Ende des Tages Zeit wird, sich zu entspannen. Ein Glas Wein macht einen einfach kreativer, aber nach zwei Gläsern ist es mit der Kreativität vorbei, haha.
Ein Glas Wein macht einen einfach kreativer.
Artikel - Lena Särnholm
Sie ist seit ihrer Jugend Journalistin. Sie begann als Nachrichtenreporterin und landete bei der Reitsportzeitschrift Ridsport, wo sie mehr als 20 Jahre lang als Redakteurin tätig ist. Dann gewannt ihr Interesse für Wein die Oberhand. Lena Särnholm hat im Restaurant der Schwedischen Akademie eine Ausbildung zur Sommelière gemacht und arbeitet freiberuflich in den Bereichen Wein und Pferdesport. Sie schreibt hauptsächlich für das Weinkulturmagazin Törst, für Star Wine List und In Vino und arbeitet in Teilzeit in einer Weinbar in Stockholm, um auf dem Laufenden zu bleiben. Außerdem hat sie an acht Weinlesen teilgenommen, hauptsächlich in der Loire-Region. Sie ist die schwedische Botschafterin für PIWI International.
Bereichern Sie das Erlebnis
Entdecken Sie das Profil von kreativen und einflussreichen Persönlichkeiten, die über ihre Beziehung zum Wein erzählen, die Geheimnisse von Sommeliers oder legendären Weingütern.
Wenn Sie das Magazin abonnieren, wird Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für die Zusendung unserer Artikel verwendet. Sie können unsere Newsletter jederzeit wieder über den darin enthaltenen Link abbestellen. Für weitere Informationen über die Verwaltung Ihrer personenbezogenen Daten und Ihrer diesbezüglichen Rechte Klicken Sie hier .
