[ PORTRÄT ]
Sänger // Schweden
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Begegnung mit Titiyo
"Ich liebe die Schwermut. Es muss einen Takt geben, und einen Beat."
Titiyo, mit richtigem Namen Titiyo Yambalu Felicia Jah, ist Schwedens Rock- und Soul-Queen. Der Durchbruch gelang ihr 1989 mit dem Song „Talking to the Man in the Moon“. Was soll man auch sonst erwarten bei Eltern, die Musiker und Tanzlehrer sind?
In den 1990er Jahren setzt sich Titiyo als beste Schwedische Soulsängerin durch und wird als die Schwedische Aretha Franklin gehandelt. Jetzt können Sie sich ein gutes Bild machen von der Stimme, über die wir hier sprechen. Aber eine gute Kehle muss schön feucht gehalten werden…
Letztes Jahr hat Titiyo ihren eigenen Wein in Zusammenarbeit mit einem Produzenten in Umbrien hergestellt: einen Rotwein und einen Orange-Wein. Und sie ist begeistert von dem Ergebnis, genau wie die Weinliebhaber in Schweden.
Wir haben uns zu einem Gespräch in ihrer zweiten Heimat, der gemütlichen Weinbar Ambar, getroffen, die in einem der ruhigeren Viertel von Stockholm liegt. Kommen Sie und lauschen Sie dem Gespräch!
Wie wurde Ihr Interesse an Wein geweckt?
TITIYO
– Ich habe schon immer gerne Wein getrunken. Ich liebe es, zu essen und zu kochen, und Wein bereichert diese Erlebnisse. Bier war noch nie mein Ding. Aber so richtig auf den Geschmack gekommen bin ich erst in der Weinbar Ambar und als ich handwerklich hergestellten Wein, vor allem Orange-Wein, entdeckte - er fühlt sich so gut, so richtig an. Orange-Wein ist jung, frisch im Geschmack mit einem gelungenen Texturmix und einer Kombination aus Tiefe und „Trinkigkeit“. Und er bringt eine neue Farbe ins Spiel!
Ich liebe es, zu essen und zu kochen, und Wein bereichert diese Erlebnisse.
Sie haben Wein an einem besonderen Ort kennengelernt. Ist der Kontext wichtig für Sie?
TITIYO
– Ja, absolut. Die Kultur, die sich um natürlichen und handwerklich hergestellten Wein entwickelt hat, ist spielerisch mit einer Designsprache, die ich absolut liebe - sie ist ungekünstelt und ernsthaft zugleich. Oft handelt es sich um kleinvolumige Produktionen - und die Winzer sind stolz auf das, was sie tun.
Letztes Jahr haben Sie zum ersten Mal Ihren eigenen Wein in einer sehr begrenzten Menge hergestellt. Wie kam es dazu?
TITIYO
– Eigentlich war es Damon Young hier aus der Ambar-Weinbar, der mir Pernilla Nilheim vorgestellt hat. Pernilla importiert Wein aus Italien. Wir kamen ins Gespräch, und ich wollte den Leuten hier einen richtig guten mazerierten Weißwein präsentieren - ich wollte ihnen die gleichen Erfahrungen zuteilwerden lassen, die ich erlebt hatte. Interessant war, dass ich mich in dem Prozess der Weinherstellung wiedererkannt habe. Für die Herstellung eines guten Weins braucht es Zeit, und Geld verdient man keines. Dafür verdient man sich Respekt. Das kenne ich aus dem Musikgeschäft. Wenn mich Plattenfirmen fragen, wann meine nächste Platte denn nun wohl endlich fertig wird, sage ich immer: „Ich weiß es nicht, aber wenn sie fertigt ist, wird sie verdammt gut sein“.
Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen der Produktion von Wein und Musik?
TITIYO
– Ja, ich hatte ein vertrautes Gefühl beim Prozess der Weinbereitung. Ich kannte das Gefühl. Hier in Schweden haben wir den so genannten Promi-Wein, und der ist zu einem Schimpfwort geworden. Berühmte Persönlichkeiten, die mittelmäßige Weine hervorbringen. Aber mein Wein ist kein „Promi-Wein“, diesen Wein mag ich selber und er ist Teil meiner Welt. Hier geht es um Qualität, nicht um Quantität. Wir produzieren gerade einmal 650 Flaschen.
Ich habe mich in dem Prozess der Weinherstellung wiedererkannt.
Apropos „Promi-Wein“. Wurden Sie früher schon einmal gefragt, ob Sie Wein unter ihrem Namen herstellen möchten?
TITIYO
– Kurz vor der Pandemie kam ein großer Importeur hier in Schweden auf mich zu, doch das Projekt fiel flach. Das war wahrscheinlich auch gut so... Als meine Freunde hörten, dass ich meinen eigenen Wein herstellen wollte, war die Reaktion nicht so positiv, eher wie: „Ach du bist eine von denen, die Promi-Wein machen?“
Wie kam es also schließlich doch noch dazu, und warum Umbrien, eine eher unbekannte Region Italiens?
TITIYO
– Wir haben einfach einen Probelauf an Ort und Stelle gemacht, und ich hatte das Gefühl, dass die Jungs von Colbacco mit mir genau auf einer Wellenlänge liegen. Colbacco will brachliegende Weinberge rund um Perugia wieder bewirtschaften und große Weine erzeugen, die Lage, Lese und Jahrgang widerspiegeln. Der Orange-Wein ist ein Pinot Grigio und der Rotwein ein Verschnitt aus Merlot, Syrah, Sangiovese und einem Drittel des Orange-Weins. Wir haben herumprobiert und ich habe versucht, herauszufinden, was ich mag und was nicht, und was mich überzeugt.
Das ist spannend. Dabei haben Sie sicher eine Menge über Ihre geschmacklichen Vorlieben gelernt. Was haben Sie bei Ihrem Vorhaben herausgefunden?
TITIYO
– Ich reagiere zum Beispiel empfindlich auf die Bitterkeit im Wein. Aber ich mag die Salzigkeit, von der die Weinfachleute reden. Sie dürfen ja nicht vergessen, dass ich in puncto Wein völlig ungeschult bin... ha ha. Ich habe es einfach ausprobiert.
– Als wir die Weine von Colbacco verkosteten, weiß ich noch genau, dass vor meinem inneren Auge ein großes JA aufleuchtete. Ich mochte diese Weine! Als wir am nächsten Tag die Weinprobe wiederholten, war ich gespannt, ob mir der Geschmack immer noch zusagen würde. Und das tat er.
Ihre Weine haben eine echte Persönlichkeit, man spürt die Gefühle, die dahinterstecken. Wie sehen Sie sich selbst bei dem Prozess der Schaffung verschiedener Kunstformen?
TITIYO
– Wie ich schon sagte, läuft der Prozess der Weinherstellung ähnlich ab wie der Prozess der Aufnahme von Platten. Es kommt nicht auf die Schnelligkeit an. Es kommt nicht darauf an, in großem Maßstab zu produzieren. Ich möchte, dass meine Platten wie Handwerkskunst sind. Das wird nicht jedem gefallen, aber ich lege Wert auf diese Handwerkskunst– niemand soll sagen können, dass ich eine Hochstaplerin bin. Darum geht es! Und bei Wein ist es das Gleiche. Wein ist, was er ist, Du kannst keine Abkürzungen nehmen, den Prozess abkürzen. Ich könnte nie mit Leuten zusammenarbeiten, die tricksen, egal in welcher Hinsicht. Die Leute merken, wenn man sich „verkauft“, wenn man nur ans Geld denkt. Wenn man etwas aus Kalkül tut, ist das leicht zu durchschauen.
– Ich bin gut darin, Termine zu verschieben... ha ha. Die Dinge sind erst fertig, wenn sie fertig sind, und basta.
Der Entstehungsprozess beim Wein ähnelt meiner Arbeit, die ich in ein Musikalbum stecke.
Kehren wir zum Kern zurück, zu dem, wofür Wein gemacht ist. Wie sollte Wein Ihrer Meinung nach getrunken werden?
TITIYO
– Wow, die Frage klingt einfach, aber ich würde sagen - ohne an das Morgen zu denken. Ich kann mir zum Beispiel etwas gönnen und zu Hause eine schöne Flasche öffnen. Ich denke, so sollte Wein getrunken werden. Außerdem ist die Aufmerksamkeit dann anders. Man taucht tiefer in den Wein ein, die Beziehung zum Wein wird persönlicher. Und die Gefühle werden bewusster, filigraner.
Ich möchte noch einmal auf Ihre Musik zurückkommen und sie mit Ihrem Wein vergleichen. Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
TITIYO
– Ich liebe die Schwermut. Tiefe und Beats, packende Rhythmen, müssen nebeneinander existieren. Ich liebe Widersprüche, das Zusammentreffen verschiedener Stile. Vielleicht weil ich selbst eine Schwarze und eine Weiße bin, mit schwarzen und weißen Eltern. Meine Musik ist eine Art Crash - und die Kollision ist mein roter Faden geworden. Etwas mit Tiefe und Bedeutung, kein schnelles, oberflächliches Zeug. Diesen Anspruch finden Sie auch in meinen Weinen wider. Sie haben Tiefe.
Meine Musik ist eine Art Crash - und die Kollision ist mein roter Faden geworden. Etwas mit Tiefe und Bedeutung, kein schnelles, oberflächliches Zeug. Diesen Anspruch finden Sie auch in meinen Weinen wider.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu Ihren Weinetiketten. Eine schlichte Blume, deren Blütenblätter mit Fingerabdrücken verziert sind. Ich weiß, dass dieses Design eine besondere Bedeutung für Sie hat.
TITIYO
– Richtig, dieses Logo hat schon mein zweites Album aus dem Jahr 1993 verziert, und es war nicht schwierig, den Designer Björn Kusoffsky mit ins Boot zu holen. Er hat das Grafikprofil von SAS, Ikea und dem Moderna Museet in Stockholm designt. Ein Weinetikett konnte er in seinem Lebenslauf bisher jedoch nicht vorweisen. Für mich ist der Kontext wichtig, die Blume, das bin ich ICH. Die Blume ist Titiyo. Sie ist Teil meiner Welt.
Article - Lena Särnholm
Sie ist seit ihrer Jugend Journalistin. Sie begann als Nachrichtenreporterin und landete bei der Reitsportzeitschrift Ridsport, wo sie mehr als 20 Jahre lang als Redakteurin tätig ist. Dann gewannt ihr Interesse für Wein die Oberhand. Lena Särnholm hat im Restaurant der Schwedischen Akademie eine Ausbildung zur Sommelière gemacht und arbeitet freiberuflich in den Bereichen Wein und Pferdesport. Sie schreibt hauptsächlich für das Weinkulturmagazin Törst, für Star Wine List und In Vino und arbeitet in Teilzeit in einer Weinbar in Stockholm, um auf dem Laufenden zu bleiben. Außerdem hat sie an acht Weinlesen teilgenommen, hauptsächlich in der Loire-Region. Sie ist die schwedische Botschafterin für PIWI International.
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