[ WEINE ]
Weine im Mittelpunkt meines Romans Wine People.
von Michelle Wildgen, USA
„Wine People handelt von zwei Frauen, die für einen Weinimporteur arbeiten. Die Rivalinnen werden zu widerstrebenden Verbündeten und schließlich zu Freundinnen. Der Weg, den sie beschreiten, ist nie klar und unkompliziert. Beide haben eine Leidenschaft für Wein, doch sind sie auf sehr unterschiedliche Weise in der Weinbranche gelandet: Thessaly wurde Wein sozusagen in die Wiege gelegt, während Wren sich ihren Weg erkämpfen musste.
Ich maße mir nicht an, eine Weinexpertin zu sein. Ich bin einfach nur eine passionierte Weinliebhaberin, die Wein jedem anderen Getränk vorzieht und sich leidenschaftlich mit den Herstellern und Händlern von Wein beschäftigt. Eins kam zum anderen und so habe ich einen Roman über diese Leute geschrieben. Ich trinke je nach Jahreszeit und Essen gerne interessante Weine, und meine Romanfiguren tun das auch.
Ich wollte über die Weinwelt aufgrund einer Erinnerung schreiben, die mich seit über zwanzig Jahren begleitet, seit ich nach der Uni in einem Restaurant namens L'Etoile gearbeitet habe. Das L'Etoile wurde oft als das Chez Panisse des Mittleren Westens bezeichnet. Es war fasziniert von Erzeuger-Champagner und deutschen und österreichischen Weinen, die perfekt zu den Zutaten aus dem Mittleren Westen passten - Wisconsin und Europa liegen auf dem gleichen Breitengrad, wie die Chefköchin und Restaurantbesitzerin Odessa Piper immer zu betonen pflegte.
In diesem Restaurant begann ich zum ersten Mal darüber nachzudenken, woher diese Weine kamen und welche „Reise“ hinter ihnen lag, bevor sie in ein Glas gefüllt wurden. Die Erinnerung, die mich umtrieb, war eigentlich nur die Erwähnung einer Freundin - sie sagte, dass die deutschen Winzer, die sie besucht hatte, im Grunde genommen Farmer, Landwirte waren. Das habe ich nie vergessen. Madison, Wisconsin, wo ich damals lebte und später wieder zurückkehrte, war ebenfalls ein Land der Farmer, und plötzlich erlebte ich Wein wie einen faszinierenden Widerspruch: höchster Luxus und Schwerstarbeit auf dem Land. Fiktion entsteht aus Widersprüchen und Spannungen, daran dachte ich, als ich begann, mit Weinprofis zu reden. Und da war es auch schon passiert, ich hatte angebissen, war total begeistert.
Ich kann unmöglich alle Weine auflisten, die in meinem Roman vorkommen. Deshalb werde ich einfach ein paar der wichtigsten Weine nennen und ihre Rolle erklären, die sie in der Geschichte für die Hauptfiguren Wren und Thessaly spielen.
01.
Riesling Spätlese
„Als ich für meine Recherche mit Winzern sprach, erzählte mir Jim Prosser von JK Carriere Wines in Oregon von einer besonderen Erinnerung: Bei der Weinprobe mit einer Winzerfamilie saß auch der sehr alte, pensionierte Winzer stumm und uninteressiert in einer Ecke dabei - bis jemand eine Flasche des letzten Jahrgangs öffnete, den er gemacht hatte. Als der Duft dieser Flasche den alten Mann erreichte, erwachte er zu neuem Leben. Genau das passiert auf einer Reise nach Deutschland mit einem Winzer, der am Ende seiner Karriere und seines Lebens steht: Es wird eine Riesling Spätlese aus dem Jahr vor dem Tod der Frau des Winzers geöffnet, und der Duft verwandelt prompt den Raum. Auf die Frage, was seine verstorbene Frau zu diesem Jahrgang gesagt hat, antwortet der Winzer: „Sie sagte mir, ich solle den Preis verdoppeln.“
02.
Erzeuger-Champagner
„Eine der entscheidenden Szenen zu Beginn des Buches spielt in einem ehrwürdigen französischen Weingut, wo die Importeure nach Verkostung und Auswahl der neuesten Jahrgänge einen alten Champagner von der Farbe einer alten Bronzemünze öffnen, eine Flasche, die normalerweise nicht in die Vereinigten Staaten gelangt. Dieser Champagner ist nicht für den Import bestimmt, es ist ein Wein, den man in geselliger Runde trinkt - und der die Amerikaner daran erinnert, mit wem sie es da eigentlich zu tun haben. Zur Überraschung aller schenkt der französische Gastgeber noch eine zweite Runde aus, aber diesmal wendet er sich nicht an die selbstsichere, extrovertierte Thessaly, sondern an die ruhige Wren, die sich als beeindruckend erweisen wird.“
03.
Französischer Rosé
„OK, hier wird ein bisschen geschummelt. Wrens erste Weinerinnerung ist kein trockener Rosé aus der Provence, sondern eine billige Kiste mit Roséwein, die ihre Mutter öffnet, nachdem ihr Vater, den sie nie nüchtern kannte, die Familie endgültig verlässt. Es war der erste Wein, den Wren als Kind zu sehen bekam, und sie war beeindruckt von den langstieligen Gläsern, der Geselligkeit und dem ganzen Ritual. Mieser Wein hin oder her, die Erinnerung prägte ihre Bewunderung für Wein. In diesem Augenblick wurde ihr auch klar, dass sich ihre Familie für immer verändert hatte.”
04.
1985 Chateau Haut-Brion
„Jeder Weinliebhaber hat dieses allererste Geschmackserlebnis, das ihm die Tür zum Wein öffnet. Dieses Geschmackserlebnis wurde Wren zuteil, als ein Tisch in dem Restaurant, in dem sie arbeitet, einen Schluck für das Personal aufhebt. Habe ich selbst diesen ehrwürdigen Bordeaux-Jahrgang jemals probiert? Habe ich nicht. Aber mir schien, als würde dieser Wein die richtige Person zur richtigen Zeit begeistern. Ich musste ziemlich dick auftragen: Der Wein sollte ja ihr Leben verändern.”
05.
Carignan
„Vor vielen Jahren tranken mein Mann und ich in einem angesagten italienischen Restaurant in New York City eine Flasche sizilianischen Rotwein, einen, der so leuchtend und kraftvoll war, dass wir nur sagen konnten: Das ist der glücklichste Wein, den wir je getrunken haben. Und welche Rebsorte war es gleich noch mal? Daran konnte ich mich nie erinnern. Nach einigen Nachforschungen kam ich zu dem Schluss, dass es sich um einen sizilianischen Carignan handeln musste. Auf Einladung des Mannes, der ihr zukünftiger Arbeitgeber sein wird, ließ ich Thessaly von diesem Wein probieren.
06.
Pinot Blanc und Gewürztraminer
„Thessaly wendet diesen kleinen Partytrick an, um ein Date zu beeindrucken, das versucht hat, sie von dem Anspruch an ein Food-Pairing zu befreien, indem er ein thailändisches Restaurant wählt. Aber natürlich weiß sie, wie jeder Weinprofi, der etwas auf sich hält, ganz genau, was sie mitbringen muss.”
07.
Grüner Veltliner
„Jahrelang habe ich eine Weinhandlung nach diesem Kriterium beurteilt. Wenn sie ein paar Grüne Veltliner im Sortiment hatten, dachte ich, dass sie es zumindest versuchen. Die Rebsorte ist in den letzten Jahrzehnten viel beliebter geworden, so dass ich sie jetzt mit anderen Augen, mit einem anderen Gefühl sehe, aber wenn sie angeboten wird, kann ich nie widerstehen. Es gibt eine Schlüsselszene im Roman, in der Wren auf untypische Weise eine ganze Flasche davon hinunterkippt - Sie müssen mir glauben, wenn ich sage, dass es ein Akt der Zuneigung ist, nicht nur für den Wein, sondern auch für ihren Begleiter.“
08.
Irgendetwas von Desparada Wines, Paso Robles, Kalifornien
„Thessaly träumt davon, den Schritt zu tun, den ihre Familie nicht getan hat: Sie möchte Wein machen. Aber im eleganten Sonoma, wo sie aufgewachsen ist, Wein zu machen, fühlt sich nicht richtig an, und jahrelang weiß sie nicht, was das Richtige für sie ist. Erst als sie Tin City in Paso Robles besucht, stößt sie auf eine Version der Weinherstellung, die sie sich für sich selbst vorstellen kann. Meine Freundin und Autorin Sara Roahen nahm mich auf einer Recherchereise 2019 mit in den Desparada-Probierraum von Vailia From in Tin City, und so wurde Desparada zum Vorbild für den Ort, an dem Thessaly sich am Ende ihre eigene Zukunft vorstellen kann. Ich hatte noch nie einen solchen Probierraum gesehen, feminin, modern und altmodisch zugleich, und jeder Wein war eine Überraschung. Wirklich und wahrhaftig.
Autor - Michelle Wildgen
Michelle Wildgen est l’autrice des Michelle Wildgen ist die Autorin der Romane Wine People, You're Not You (im Deutschen „Das Glück an meiner Seite“), But Not For Long und Bread and Butter sowie Herausgeberin der Food Writing-Sammlung Food & Booze. Ihre Arbeiten sind im O Magazine, in der New York Times Book Review und in der Kolumne „Modern Love“, in Best Food Writing und in anderen Anthologien und Literaturzeitschriften erschienen. Die ehemalige Chefredakteurin der preisgekrönten Literaturzeitschrift Tin House arbeitet als freiberufliche Redakteurin und Lehrerin für kreatives Schreiben in Madison, Wisconsin.
Illustration - Elodie Flavenot
Elodie ist eine vagabundierende Künstlerin und Illustratorin, die ihre Ideen der Natur und den uns umgebenden Kulturen entlehnt. Ihre Kreationen entstehen auf dem Tablet oder in ihren Reisetagebüchern, die sie auf ihren Exkursionen stets dabeihat. Sie hat ein sehr genaues Empfinden und Gespür für Farben und Texturen, und sie liebt es, mit verschiedenen Medien zu spielen, um eine Idee, eine Erinnerung oder auch einen Auftrag mit ein wenig Poesie in ein Bild zu verwandeln.
Bereichern Sie das Erlebnis
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