[ PORTRAIT ]
Autor / Frankreich & Belgien

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Begegnung mit Stéphane de Groodt
"Ein guter Wein ist wie eine Zeitreise."
Der Schauspieler, Autor und Liebhaber fein gedrechselter Worte Stéphane De Groodt geht seiner Karriere mit der gleichen Begeisterung nach wie seinen Wortspielen. Vom Autorennen bis zur Bühne hat er sich mit einem unverwechselbaren Stil durchgesetzt, der sich durch Absurditäten und eine scharfe Beobachtungsgabe auszeichnet.
Mit Un léger doute (Ein leichter Zweifel), seinem ersten Theaterstück, und mit seiner Darbietung in der Komödie Die Wahrheit, untersucht er heute den Zustand des Schauspielers und die Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Zwischen zwei Szenen plaudert er auch über seine Vorlieben in puncto Wein, seine Erinnerungen an Verkostungen und seine Begegnungen.


Ihr Stück "Un léger doute" ist Ihr erster Ausflug in die Theaterwelt als Autor. Wer oder was war der Auslöser dafür?
Stéphane De Groodt
Ich habe schon immer gern mit Worten gespielt. Beim Schreiben kann man Ideen völlig ungezwungen entwickeln. Während des Lockdowns habe ich mich gefragt, was von einem Schauspieler ohne Publikum übrigbleibt. Wir existieren durch den Blick der anderen, was passiert also, wenn dieser Blick wegfällt? Daraus entstand die Idee zu diesem Stück, in dem meine Mitspieler sich weigern, ihre Rollen aufzugeben, während ich versuche, die Bühne zu verlassen. Das Stück ist ein Nachdenken über Realität und Fiktion, gewürzt mit Humor und Nonsens.

Sie spielen aktuell das Stück „Die Wahrheit“ von Florian Zeller, eine Rolle, die früher von Pierre Arditi gespielt wurde. Ist da der Druck groß?
Stéphane De Groodt
Absolut! Eine Rolle zu übernehmen, die auf einen großen Schauspieler zugeschnitten ist, ist einschüchternd. Nun musste ich eben diesen Umstand ignorieren und mir das Stück aneignen. Heute habe ich das Gefühl, dass ich die Rolle voll und ganz ausfülle.

Was halten Sie von dem Ausspruch In vino veritas?
Stéphane De Groodt
Dieser Satz wurde schon tausend Mal gesagt. Alkohol enthemmt, aber liegt die Wahrheit in der Aufrichtigkeit oder in der Lüge?

Ihr Humor wird oft als absurd beschrieben. Ist das Ihrer Meinung nach eine belgische Besonderheit?
Stéphane De Groodt
Nicht unbedingt. Das Absurde ist universell, aber in Belgien gehen wir ganz komplexfrei damit um. Vielleicht akzeptieren wir die Unschärfe, Widersprüche ohne Umstände, weil Belgien ein Land mit einer wandelnden Identität ist. Ich fühle mich zum Beispiel noch mehr als Belgier, wenn ich in Frankreich bin und umgekehrt. Dieses Spiel der Gegensätze regt meinen Humor an.

Lassen Sie uns über Wein reden! Ein gutes Glas Wein ist auch eine Geschichte von Kontrasten und Interpretationen, oder etwa nicht?
Stéphane De Groodt
Ganz genau. Wein erzählt genau wie das Theater eine Geschichte und muss mit allen Sinnen erlebt werden. Ein guter Wein begeistert, deckt Gefühle auf, enthüllt Wahrheiten. Er ist wie eine Zeitreise: Man öffnet eine Flasche und plötzlich ist da wieder ein Abend, ein Lachen, ein Gespräch.

Wein erzählt genau wie das Theater eine Geschichte und muss mit allen Sinnen erlebt werden.


Haben Sie eine bleibende Erinnerung im Zusammenhang mit Wein in petto?
Stéphane De Groodt
Oh, da gibt es viele! Aber mit fällt spontan meine Begegnung mit François-Xavier Demaison ein. Wir waren bei Dreharbeiten und kannten uns noch nicht. Am ersten Abend nimmt er mich mit ins Restaurant und sagt zu mir: „Ich habe gehört, dass du gerne Wein trinkst.“ Und schon geht‘s los und er präsentiert mir unglaubliche Weine. Wein hat unsere Freundschaft buchstäblich besiegelt. Seit diesem Tag führt er mich in verschiedene Regionen, in verschiedene Terroirs ein. Sein eigener Wein, der Mirmanda aus dem Weinbaugebiet Côtes du Roussillon, ist im Übrigen absolut köstlich!

Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Wein?
Stéphane De Groodt
Als Kind hatte ich die glänzende Idee, anlässlich eines Familienessens die Reste aus allen stehen gelassenen Gläsern zu leeren. Danach habe ich mich hundeelend gefühlt und Jahre lang keinen Wein mehr angerührt! Erst mit dreißig habe ich wirklich angefangen, mich für Wein zu interessieren.

Mit welchen Weinen haben Sie begonnen?
Stéphane De Groodt
Meine Freunde tranken eher Rotweine. Mein ganz persönliches Aha-Erlebnis hatte ich mit Weißwein, als ich die Weine aus dem Burgund entdeckte. Im Laufe der Zeit habe ich dann gelernt, die verschiedenen Rebsorten zu unterscheiden und meinen Geschmack weiterzuentwickeln. Das Bordelais war für mich anfangs nur ein Oberbegriff, doch hat es nach und nach präzisere Konturen angenommen. Ich begriff, dass ein Pauillac nichts mit einem Pessac zu tun hat und dass sich ein Pomerol deutlich von anderen Bordeaux-Weinen unterscheidet. Diese geschmackliche Entwicklung hat sich allmählich vollzogen, im Zuge von Verkostungen und Entdeckungen.


Mein ganz persönliches Aha-Erlebnis hatte ich mit Weißwein, als ich die Weine aus dem Burgund entdeckte.

Was ist für Sie wichtiger: die Region oder die Rebsorte?
Stéphane De Groodt
Ich mag vor allem runde, vollmundige Weine. Bei Rotweinen habe ich ein Faible für Weine aus der Syrah-Traube aus dem nördlichen Rhône-Tal. Ich mag ihre Ausgewogenheit. Bei Weißweinen begeistern mich Burgunderweine durch ihre Frische und Finesse. Ich kann Rotweine aus vielen verschiedenen Regionen schätzen, doch habe ich festgestellt, dass ich in erster Linie auf Rebsorten fixiert bin. Ich mag Merlot, ich mag Syrah, aber ich bin nicht unbedingt ein Fan von Weinen aus der Cabernet-Traube. Was ich zum Beispiel an Pessac-Weinen mag, ist diese Rundheit, die mich nicht zu sehr an Cabernet erinnert. Pomerol-Weine gefallen mir wegen ihres seidigen Geschmacks. Trotzdem können mir auch einige Naturweine gefallen. Auch habe ich eine Schwäche für bestimmte spanische und portugiesische Weine. Ich suche vor allem nach einem schönen Gleichgewicht zwischen fruchtigem Aroma und Dichte. Ich mag weder zu leichte Weine noch Weine, die stark adstringierend oder tanninhaltig sind.

Ihr nächstes Projekt?
Stéphane de Groodt
Ich spiele im September wieder Die Wahrheit und im Dezember kommt meine Autobiographie heraus. Ich möchte aber vor allem weiterhin spielen, schreiben und den Augenblick genießen. Solange ich noch Spaß daran habe, das ist das Wichtigste!
Article - Muriel Lombaerts
Muriel Lombaerts ist eine leidenschaftliche Genießerin, die seit ihrer Kindheit mit der Gastronomie bestens vertraut ist. Nach ihrem Journalistikstudium und der Gründung eines Kulturmagazins interessiert sie sich für die Welt des Weins sowohl in puncto Verkostung als auch in puncto Herstellung. Ihr Fachwissen wird im Kontakt mit Küchenchefs, Sommeliers und Winzern immer präziser. Heute arbeitet sie als Pressereferentin, freie Journalistin (Horeca Magazine, Forbes, Duo Mag und Gael) und Event-Managerin und teilt ihre Leidenschaft anhand der Marken La Bière und Le Vin des Femmes, die sie in Belgien gegründet hat. Sie ist voller Neugier und reiselustig und liebt es, ungewöhnliche Weine, Produkte und Orte aufzuspüren. Ganz besonders liebt sie es, die Menschen kennenzulernen, die sie kreieren.
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